Projekte

2021

 

Heidelberg – Jahrbuch zur Geschichte der Stadt

2022, Jg. 26. Herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein. Kurpfälzischer Verlag Heidelberg, 2021

 

Das erste Jahrbuch des Heidelberger Geschichtsvereins ist 1996 erschienen. Es umfasste 250 Seiten und enthielt 14 Beiträge von 19 Autor:innen.  Von der damaligen Redaktion und den Vorstandsmitgliedern sind 25 Jahre später noch Ingrid Moraw, Reinhard Riese, Hans Martin Mumm und Norbert Giovannini aktiv. Im November 2021 konnten wir – leider nur virtuell - das 26. Jahrbuch vorstellen, das Ingrid Moraw, Petra Nellen, Carola Hoécker, Frank Engehausen, Reinhard Riese, Florian Schmidgall, Norbert Giovannini als Redakteur:innen und Hans Martin Mumm und Claudia Rink für den Vorstand des Geschichtsvereins gestaltet haben. Unser Jahrbuch ist im Laufe der Jahre ein bisschen dicker geworden (immer etwas mehr als 300 Seiten), im Autor:innenverzeichnis finden wir diesmal 29 Namen und - quer durch die Jahrhunderte der Stadtgeschichte - präsentieren wir 24 Beiträge und 17 Rezensionen. Seit dem 9. Jahrbuch ist das „Outfit“ des Jahrbuchs von Eva Giovannini dauerhaft modernisiert worden und wer sehr aufmerksam hinschaut, findet von Jahr zu Jahr kleine Modifikationen in der Gestaltung.

 

Wir freuen uns übrigens sehr, dass einige Beiträge des neuen Jahrbuchs in der Rhein-Neckar-Zeitung ausführlich vorgestellt wurden.

 

In jedem Jahr ist es ein schieres Wunder, welche Vielfalt und welches Themenspektrum im Lauf der Herstellungsmonate zusammenkommen. Beispiele: Ulrich Wagner, der ehemalige Würzburger Archivdirektor, klärt die Kontexte der Ersterwähnung Heidelbergs im Jahr 1225, Dörte Kaufmann würdigt den langjährigen Direktor des Kurpfälzischen Museums Karl Lohmeyer, Susanne Himmelheber widmet sich der großartigen Frauenrechtlerin Camilla Jellinek, ihrem Wirken in Heidelberg und in der Frauenbewegung der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Tiefe Eindrücke hinterlassen die Studien von Thomas Somló über die ungarisch-jüdische Familie Romhány (Reich), die in Bergheim das Capitol-Kino betrieb und Unsägliches erleiden musste: den Tod zweier Söhne, Vertreibung und Enteignung, bis in die Nachkriegszeit reichende antisemitische Attacken, die sie schließlich zermürbten. Reinhard Riese beschämt uns Zeitgenossen buchstäblich durch seine berührende Skizze des jüdische-österreichischen Erwin Goldner, der bis in die 1970er Jahre im Stadtbild präsent war: hager, gekrümmt, ein Packen Illustrierte unter dem Arm, manchmal cholerisch, manchmal verzweifelt, oft von Kindern und Jugendlichen verspottet. Dank der Hilfe der Jüdischen Kultusgemeinde ist es Reinhard Riese gelungen, Herkunft, Exilwege (Shanghai), Wiederkehr, erneute Auswanderung aus Österreich und seine Zeit in Heidelberg, die Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren, die verzweifelten Versuche, Fuß zu fassen und die wohl auch vorhandene Solidarität von Altstadtbewohnern mit diesem so offenbar gebrochenen Mann zu rekonstruieren. Kaum jemand, der sich als Zeitgenosse nicht an ihn erinnert. Aber hat sich von allen den Aufgeklärten, Kritischen und ,linken in dieser Stadt jemals ihm irgendwer zugewandt?

Noch viele Beiträge wären zu erwähnen. Architektur- und Betriebsgeschichte der Zigarrenfabrik Hochherr (im späteren Betty Barclay-Gebäude), deren sich Heinrich Hörtdörfer und Andreas Schenk annehmen; eine konzise Übersicht zu den Bombenangriffen auf Heidelberg während des zweiten Weltkriegs, die Julia Lauer dokumentiert, ein biographischer Hinweis auf den eigentümlichen Aufklärer Carl Gustav Jochmann, der Zeit seines Lebens nur anonym veröffentlichte (Ulrich Kronauer) und eine Erinnerung von Anton Ottmann an die Angelistin Kamilla Knopf, die jahrzehntelang dieses Fach akademisch brillant vertrat, ohne dass ihr die eine angemessene Hochschulkarriere ermöglicht wurde.

 

Für mich bewegend war es, dass ich von Nachkommen der Familie Baer aus Großbritannien die Briefe ihrer Großmutter an die englische Gastfamilie des Sohnes Dieter zugeschickt bekam, der 1939 mit einem der letzten Kindertransporte nach England gebracht werden konnte. In nüchterner, freundlicher Diktion (und gutem Englisch) werden Sorgen und Verzweiflung, Hoffnung und Liebe zu den Kindern erlesbar. Umso bedrückender, dass die in der Weststadt lebenden Eltern, Klara Baer und ihr Mann, Landgerichtsrat Alfred Baer, 1040 nach Gurs deportiert wurden, der Vater 1941 im Lager Récébédou verstarb, die Mutter 1942 in Auschwitz getötet wurden.

In einem zweiten Beitrag dokumentiere ich Briefe des Ehepaars Hermann und Martha Durlacher aus dem Lager Gurs an ihre ebenfalls in England in Sicherheit gebrachten Söhne, die vermutlich außerstande waren, ihren verzweifelten Eltern zu helfen. Den letzten vorhandenen Brief schrieb Durlacher an den knapp 15jährigen Lutz am 13. März 1943 in England, darin schildert er drastisch die hoffnungslose und bedrückende Situation, harten Arbeitsbedingungen des Vaters , die schwere Erkrankung der Mutter und die aussichtslosen Versuche, nach Amerika fliehen zu können. Wenige Wochen nach diesem Brief wurden die Durlachers nach Auschwitz transportiert und dort getötet.

 

Bei Recherchen zu den „Stillen Helfern“ bin ich 2018 im Stadtarchiv auf die vollständig erhaltenen Unterlagen zu einer der dreistesten Raubaktionen des NS-Regimes an jüdischem Eigentum gestoßen: Die Zwangsablieferung von Gold- und Silbergegenständen im Frühjahr und Frühsommer 1939. Alle jüdischen Einwohner hatten ihre privaten Bestände an Edelmetall, Schmuck, Uhren mit Ausnahmeder Eheringe beim städtischen Leihamt abzuliefern. Sie erhielten einen lächerlich niedrigen Taxwert zugesprochen, von dem das Amt gleich 10% Bearbeitungsgebühr kassierte. Was sie als Ankaufspreis bekommen sollten, wurde auf Festkonten eingefroren und stand den Beraubten nie mehr zur Verfügung. Die bürokratische Akribie macht es auch möglich, die Nutznießer dieses Raubs zu identifizieren: Es sind neben dem Reich und einzelnen Großhändlern zahlreiche Heidelberger Gold-, Silber- und Antiquitätenhändler, die wertvollste Objekte günstig ersteigern und ihrer Kundschaft anbieten konnten. Immerhin die Hälfte der in diesem Gewerbe tätigen Händler beteiligte sich aber nicht an diesen Bereicherungsaktionen. Diese reichsweite Aktion war ein besonders demütigender Baustein der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung, nach der Pogromnacht 1938, für deren Schäden die jüdischen Gemeinden und Bewohner durch eine Sonderabgabe von über einer Milliarde Reichsmark aufzukommen hatten. Von heute aus erkennen wir, dass es neben den vielen „Arisierungen“ und amtlichen Ausplünderungen auch ein Mittun und Mitwirken zahlloser Nutznießer des Systems gegeben hat, die für ihr Handeln nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Im Kontext dazu zeigt Hans-Martin Mumm den Umgang der städtischen Baugesellschaft GGH mit ihren jüdischen Mietern auf. Nach Wegfall allen Mieterschutzes könnten diese erbarmungslos aus ihren Wohnungen vertrieben werden.

 

Das Jahrbuch des Geschichtsvereins ist beim Kurpfälzischen Verlag und im Buchhandel erhältlich. Es kostet 22 €. Hinweise und Inhaltsverzeichnisse der früheren Jahrbücher finden sich auf der Homepage des Heidelberger Geschichtsvereins https://haidelberg-start.jimdo.com/jahrbuch/

2018

 

„Spurensuche in  Heidelberg“ – Ein regionalgeschichtliches Materialheft

 

Das Projekt „Spurensuche in  Heidelberg“ – Ein regionalgeschichtliches Materialheft für Schulen, Schüler*innen und Lehrkräfte zur Verfolgung von Minderheiten im Nationalsozialismus. Herausgegeben vom Verein Heidelberger Lupe – Verein für Historische Forschung und Geschichtsvermittlung.

 

Auf dieses Projekt weise ich hin, weil ich seit 2014 einige der Initiatorinnen und Mitarbeiterinnen des 2016 gegründeten Vereins Heidelberger Lupe begleitet habe. Zunächst im Rahmen eines Seminars von Daniela Gress und Irene Wachtel am Historischen Seminar als Sachverständiger, als Berater für die Ausstellung „Herausgerissen – Deportation von Heidelbergern 1940“ im Foyer des Heidelberger Rathauses vom 22.10. bis 20.11 2015 und die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 27.1.2015. Und  nun als Berater für das aktuelle Lupe-Projekt.

 

Der Verein Heidelberger Lupe ist ein studentischer Verein. Geschichtsstudierende gehen neue Wege, in dem sie während des Studiums Projekte entwickeln und gestalten, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind. Als Gedenkarbeit an die städtische Öffentlichkeit, als fachliche und didaktische Publizistik an die Schulen und den Geschichtsunterricht. Damit wird Geschichte begreifbar, sichtbar, kontextuell mit dem Wohnort verbunden und Teil eines erforschbaren Nahbereichs. Geschichtliche Vorgänge werden herangezoomt und über Bilder, Dokumente, Namen, Orte, Zeitzeugen und Gedenkeinrichtungen vermittelt. Damit wird das Studium auch eingefädelt in öffentliche Wirkung und praktische Vermittlungsaufgaben.

 

Das Projekt Spurensuche in Heidelberg bietet dies in einem reichhaltigen Themenspektrum. Fachlich und didaktisch aufbereitetes Material zum Nationalsozialismus in Heidelberg, verbunden mit Übersichtsartikeln, behandeln Aspekte des Nationalsozialismus vor Ort, mit einem unverkennbaren Schwerpunkt auf dem Umgang mit Minderheiten, Verfolgtengruppen und den besonders im Visier der NS-Ideologen stehen Gruppen von Kindern und Jugendlichen.

 

Lehrer und Lehrerinnen  erhalten Hinweise auf Kooperationspartner, deren sich ein aktivierender und motivierender Geschichtsunterricht in einer von Geschichte so gesättigten Stadt wie Heidelberg nahezu zwingend bedienen muss. Gestaltungs- und Projektvorschläge zu den Themen und realistisch bearbeitbare Materialien sowie Hinweise auf weiterführende Literatur reichern die Beiträge an.

 

Themen sind u.a. Die jüdischen Gemeinden in Heidelberg, die Verfolgung der Sinti, der politische Widerstand und seine dramatische Zerschlagung, die Praxis der Euthanasie, die Kontinuität rassistischer Lehrinhalte an der Universität und die Dauerwirkung rassistischer Bild- und Denkweisen in der Populärkultur, die Bücherverbrennung 1933, die Zwangsarbeit und das KZ-Außenlager in Mannheim-Sandhofen, die spezifischen Sozialisations- und Erziehungskonzepte für Kinder, Jugendliche, und Mädchen, die Umsetzungen und Ambivalenzen des NS-Frauenbildes und die unmittelbare Nachkriegszeit in der äußerlich unzerstörten Stadt.

 

Das Materialheft ist im März 2018 erschienen.

2016

Eröffnung der Ausstellung „Begegnung“ im Foyer des Heidelberger Rathauses

am 14. April 2016

 

Die Ausstellung thematisiert die Gedenk- und Erinnerungsarbeit an die Schicksale der ehemaligen jüdischen Einwohner Heidelbergs, die in der NS-Zeit verfolgt, gequält, zur Flucht gezwungen, in das Internierungslager Gurs und die Todeslager im Osten deportiert wurden.

Zentrum der Ausstellung sind Biographien ehemaliger jüdischer Einwohner, die im Mai 2016 auf Einladung der Stadt Heidelberg besuchen werden. Nach 1996, 2001, 2007  und 2013 ist dies die fünfte Einladung, die unter maßgeblicher Beteiligung des Fördervereins Begegnung e.V. stattfinden kann. Die Ausstellung dokumentiert die Initiativen des Vereins, die sich auf den Aufbau von Kontakten, die Betreuung der Besucher, aber auch auf die Unterstützung von Reisen und Publikationen konzentriert haben.

Die Ausstellung wird mit einem Beitrag des Oberbürgermeisters, Dr. Eckhart Würzner, um 18 Uhr im Foyer des Heidelberger Rathauses eröffnet. Kurator der Ausstellung ist der Mannheimer Galerist Reinhold Weinmann (galerie grandel, S4, 23, 68161 Mannheim)

 

Ehemalige jüdische Einwohner besuchen Heidelberg

Auf Einladung der Stadt Heidelberg besuchen vom 8.Mai 2016 bis 12.Mai 2016  zwölf ehemalige jüdische Einwohner mit Begleitpersonen die Stadt, in der sie geboren wurden und aus der sie und ihre Eltern in der NS-Zeit ab 1933 vertrieben wurden. Es ist der fünfte Besuch von Ehemaligen seit 1996, denen zahlreiche Einzelbesuche in den siebziger und achtziger Jahren vorausgegangen waren.

 

Die Stadt Heidelberg möchte mit dieser Einladung ein Zeichen setzten, dass die Erinnerung an die Geschehnisse im Nationalsozialismus ebenso lebendig gehalten werden sollen wie der persönliche Kontakt zu den z.T. hochbetagten ehemaligen jüdischen Einwohnern. Für die fünf Tage ist deshalb ein umfangreiches Programm erstellt worden, das auch Begegnungen mit Heidelberger Schülern und Schülerinnen umfasst. Weitere Stationen des Besuchs sind am 9.5. um 16 Uhr ein Empfang im Rathaus durch den Oberbürgermeister und eine Besichtigung der Ausstellung „Begegnung“, in der die Biographien der Eingeladenen dargestellt werden. Am 10.5. stehen Zeitzeugengespräche, ein Besuch der jüdischen Hochschule und eine Begegnung mit der jüdischen Gemeinde auf dem Programm. Am Donnerstag, dem 11.5. ist Gelegenheit, die Gräber von Angehörigen auf dem jüdischen Friedhof und die Ausstellung „Jewish Mathematicans“ im neuen Mathematicon im Neuenheimer Feld zu besichtigen. Am Abend dieses Tages endet der offizielle Teil des Besuchs mit einem Festabend mit Oberbürgermeister Würzner im Prinz Carl.


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